Der DAHZ möchte in dieser Rubrik Fragen von Zahnärzten beantworten, die von allgemeiner Bedeutung sind. Rechtsverbindliche Auskünfte sind nicht möglich, da die Umsetzung des Medizinprodukterechtes Ländersache ist und die Auslegung teilweise sehr unterschiedlich gehandhabt wird.
Die Verantwortung für die fachgerechte Aufbereitung liegt beim Praxisinhaber, Praxisbetreiber.
Dieser kann die einzelnen Aufgaben, z. B. Aufbereitung, an einzelne Mitarbeiter delegieren. Dabei kann es sinnvoll sein, eine Hygienebeauftragte zu benennen, die das Hygienemanagement in Absprache mit dem Verantwortlichen koordiniert. Dies ist z. B. in größeren Praxen vorstellbar, in denen in mehreren Schichten gearbeitet wird.
03.12.2015
Die Anforderungen für die Aufbereitung sind in den Richtlinien der Kommission für Krankenhaushygiene am Robert Koch-Institut (KRINKO) festgelegt. Danach gilt:
Bevor Medizinprodukte zur erneuten Verwendung aufbereitet werden dürfen, muss der für die Praxishygiene Verantwortliche (also: Zahnarzt / Zahnärztin) eine Risikobewertung vornehmen. Es erfolgt eine Einstufung in: unkritisch, semikritisch A/B oder kritisch A/B.
Dabei ist eine Risikobewertung nach Medizinproduktgruppen ausreichend wie sie beispielsweise im BZÄK/DAHZ-Hygieneplan enthalten ist. Eine Risikobewertung einzelner Medizinprodukte ist nicht gefordert, kann aber in speziellen Fällen hilfreich sein.
03.12.2015
Stellungnahme des DAHZ
Prof. Dr. Lutz Jatzwauk
Universitätsklinikum Dresden
Zentralbereich Krankenhaushygiene
Fetscherstr. 74
01307 Dresden
Univ.-Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen
Augustusplatz 2
55131 Mainz
21.01.2016
Problemstellung
Im Jahr 2013 wurde von einer italienischen Arbeitsgruppe um Luigi Canullo eine klinische Studie zur Aufbereitung von Abutments publiziert (1). Er verglich die klinischen Ergebnisse nach zwei unterschiedlichen Aufbereitungsverfahren von Abutments, bevor diese beim Patienten eingesetzt wurden. In einer Gruppe erfolgte eine Behandlung der Abutments mit heißem Wasserdampf, in der anderen Gruppe mittels eines Argon- Plasmareaktors. Nach zwei Jahren fand sich in der Gruppe der Behandlung mit heißem Wasserdampf ein signifikant höherer periimplantärer Knochenabbau im Vergleich zu der Gruppe nach Plasmabehandlung der Abutments. Der Herausgeber der Zeitschrift, Marco Esposito, thematisierte diese Frage in seinem Editorial und schlussfolgerte, Abutments generell vor dem Einsetzen zu reinigen und zu sterilisieren (2). Diese Forderung wurde auf der Fortbildung des Deutschen Ärzte-Verlags am 15. Februar 2015 in Frankfurt am Main (3)aufgegriffen und gefordert: „Abutments und auch alle „Einbauteile“ müssen gereinigt und keimfrei sein. Denn es handelt sich um Medizinprodukte, die als semikritisch und kritisch eingestuft werden können. Vor der Aufbereitung muss der Behandler eine Risikobewertung (4) vornehmen, ob er diese Teile als semikritisch („Kontakt mit Schleimhaut“) oder kritisch (.. „die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung einschließlich Wunden kommen“) einstuft.“
Noch im gleichen Jahr wurde der Forderung nach Sterilisation von Abutments widersprochen (5). Das wurde damit begründet, dass es sich bei der nur 5 Sekunden dauernden Behandlung mit Wasserdampf weder um ein anerkanntes Reinigungs- oder Desinfektionsverfahren, noch beim Argonplasmaverfahren um ein wirksames Sterilisationsverfahren von Medizinprodukten handelt. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen über die Gründe der Unterschiede im periimplantären Knochenabbau zwischen den unterschiedlich (un)wirksam desinfizierten /sterilisierten Abutments wurden bis heute nicht publiziert.
Was unterscheidet sterile von desinfizierten Abutments
Abutments sind definitionsgemäß Medizinprodukte und bilden den Übergang vom Implantat (durch das periimplantäre Weichgewebe) zur Suprakonstruktion und der Mundhöhle. Desinfektionsverfahren führen zu einer Reduktion der pathogenen Mikroorganismen (vegetative Bakterien, Viren und Pilze) am Abutment um mindestens 5 Zehnerpotenzen (log- Stufen). Die Wirksamkeit einer thermischen Desinfektion (Wasserdampf) wird in Deutschland durch eine Wärmemenge (einen so genannten A0– Wert) von 600 bis 3000 (Sekunden bei einer angenommenen, konstanten Temperatur von 800C) definiert. Bei einer Temperatur des Wasserdampfes eines Dampfreinigers von etwa 80 bis 900C (entsprechende Werte werden in der Publikation nicht angegeben) und einer Einwirkzeit von 5 Sekunden ist mit A0– Werten von 5- 50 zu rechnen. Damit wird die normativ geforderte Desinfektionswirkung weit verfehlt. Darauf weisen auch die von Canullo et al. angegebenen Koloniezahlen von über 108 KBE (koloniebildenden Einheiten) vegetativer Bakterien (Staphylokokken und Mikrokokken) an den „desinfizierten“ Abutments nach Dampfbehandlung hin. Bakterielle Sporen werden durch Desinfektionsverfahren (mit strömenden Wasserdampf) nicht inaktiviert. Sterilisationsverfahren inaktivieren, sofern sie geltenden Normen (DIN EN ISO 14937) entsprechen, mindestens 1012 bakterielle Sporen. Auch wenn vom benutzten „Reinigungs- Sterilisationsverfahren“ mit Argonplasma keine Übereinstimmung mit der angegebenen Norm bekannt ist, werden zumindest vegetative Bakterien, Viren und Pilze inaktiviert . Folglich fanden sich an den derart aufbereiteten Abutments bei Canullo et al. auch keine mikrobiellen Kontaminanten.
Nur in bestimmten Fällen unterstützt eine theoretische Betrachtung die Forderung nach Sterilisation von Abutments. Teilweise sind diese bereits unmittelbar nach der Insertion (transgingivale Heilung), also während der Einheilzeit in das Implantat eingebracht oder sie werden zur Freilegung eingebracht. Ziel ist in beiden Fällen eine zirkuläre Adaptation des Gingivalsaums. In diesen Fällen kommt das Abutment direkt mit der Wunde in Berührung, wobei nicht auszuschließen ist, dass (zumindest teilweise) ein speicheldichter Wundverschluss stattfindet. Folgeerscheinungen könnten lokale Weichteilinfektionen bzw. das infektiös-toxische Krankheitsbild des Gasbrands (Gasgangrän) durch obligat anaerobe, gram-positive, sporenbildende Bakterien der Gattung Clostridium sein. – butments, die während oder unmittelbar nach der Implantation zum Einsatz kommen („Healing Abutments“), müssen daher sporenfrei (steril) sein. Bei diesen Abutments handelt es sich praktisch ausschließlich um Titan, so dass eine Sterilisation unkompliziert möglich ist. Abutments hingegen, die erst nach der Mucosaheilung eingebracht werden, kommen nicht mit Blut oder einer Wunde in Kontakt und sollten daher als semikritisch klassifiziert werden. Der letztere Fall ist in praxi der Regelfall bei der definitiven prothetischen Versorgung.
Oberflächenstrukturen der Abutments
An Implantatwerkstoffe werden vielfältige Anforderungen gestellt. Neben hoher mechanischer Beständigkeit ist auch eine bestmögliche biologische Verträglichkeit wünschenswert. In der Implantologie verwendete Werkstoffe erfüllen die mechanischen Anforderungen meist in exzellenter Weise, während von biologischer Seite in mehrerer Hinsicht Optimierungsbedarf besteht. Einerseits sind alle metallischen Implantatwerkstoffe besonders in bakteriell entzündlichen Situationen korrosionsanfällig. Andererseits denaturieren sie an der Oberfläche adsorbierende Eiweiße (6) oder verhindern eine Adsorption durch eine hohe Oberflächenspannung. Es ist bekannt, dass eine Behandlung von Implantaten mit bestimmten Plasmen neben der Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation zu einer Oberflächenmodifikation führen kann, deren Auswirkung bessere Interaktion mit dem sie umgebenden Gewebe (Knochen oder Weichteilgewebe) und letztlich das bessere Einwachsen der Implantate ist. Ein derartiger Effekt wird auch bei Implantaten nach Argonplasmabehandlung in verschiedenen Publikationen diskutiert (7, 8, 9, 10). Es ist durchaus anzunehmen, dass eine derartige Veränderung der Oberfläche der Abutments auch durch die von Canullo et al. verwendete Argonplasmabehandlung (11) stattgefunden hat und die Wundheilung beeinflusste.
Zusammenfassung
Die Diskussion über die Notwendigkeit der Sterilisation von Abutments ist zu begrüßen. Sie beweist, dass bei der Aufbereitung von Medizinprodukten nicht nur administrative Regularien im Vordergrund stehen, sondern auch und vor allem klinische Aspekte der Patientensicherheit tangiert werden. Die Publikation von Canullo et al. lässt allerdings viele Fragen unbeantwortet. Sie vergleicht die Ergebnisse eines unwirksamen Desinfektionsverfahrens mit denen eines nicht validierten Sterilisationsverfahrens. Auf dieser wissenschaftlichen Basis kann sicher nicht entschieden werden, ob eine Sterilisation oder eine alleinige Reinigung und Desinfektion von Abutments vor der Implantation notwendig ist. Möglicherweise sind die Ergebnisse der Studie von Canullo et al. aber überhaupt nicht auf die unterschiedliche mikrobielle Kontamination, sondern auf Oberflächenveränderungen der Abutments in Folge der Plasmabehandlung zurückzuführen, die zu einem stabileren periimplantären Gewebsattachment geführt haben. Bis dahin sollten Abutments vor der Anwendung in jedem Fall einem validen Reinigungs- und Desinfektionsverfahren unterzogen werden. Kommen sie, bei der Freilegung oder Implantatinsertion in Kontakt mit einer Wunde, sollten sie sterilisiert werden.
Literatur:
- Canullo L, Peñarrocha D, Clementini M, Iannello G, Micarelli C. Impact of plasma of argon cleaning treatment on implant abutments in patients with a history of periodontal disease and thin biotype: radiographic results at 24-month follow-up of a RCT. Eur J Oral Implantol, 2013; 6 (3), 251–260).
- Esposito M. On cleaning and sterilisation of customised abutments and disappearing implant failures. Eur J Oral Implantol. 2013;6(3):211.
- Becker.http://www.dentalmagazin.de/praxiszahnmedizin/vermischts/Abutmenthygiene-Was-ist-notwendig_257248.htm
- Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch- Institut. Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten. Bundesgesundheitsblatt 44 (2001) 11 ; 1115-1126
- Kern, M. On the scientific evidence that the sterilisation of customized implant abutments is required. Eur J Oral Implantol. 2015;8(3):219.
- Repenning D. Oberflächenbeschichtung- Beschichtung auf Implantaten. In Gradinger R, Gollwitzer H. Ossäre Integration. Springer Medizin Verlag Heidelberg. 2006. 53. ISBN 3-540-22721-0.
- Guastaldi FP, Yoo D, Marin C, Jimbo R, Tovar N, Zanetta-Barbosa D, Coelho PG. Plasma treatment maintains surface energy of the implant surface and enhances osseointegration. Int J Biomater. 2013; 2013:354125.
- Beutel BG, Danna NR, Gangolli R, Granato R, Manne L, Tovar N, Coelho PG.
Evaluation of bone response to synthetic bone grafting material treated with argon-based atmospheric pressure plasma. Mater Sci Eng C Mater Biol Appl. 2014 Dec; 45:484-90. - Gan BK, Kondyurin A, Bilek MM.Comparison of protein surface attachment on untreated and plasma immersion ion implantation treated polystyrene: protein islands and carpet. Langmuir. 2007 Feb 27;23(5):2741-6.
- Latkany R1, Tsuk A, Sheu MS, Loh IH, Trinkaus-Randall V. Plasma surface modification of artificial corneas for optimal epithelialization.J Biomed Mater Res. 1997 Jul;36(1):29-37.
- Aaronson BO. On Aron-plasma cleaning- some comments from regulatory and scientific perspectives. Eur J Oral Implantol. 2015;8(3):211-12
Vielen Dank für die wirklich interessante Frage zur Notwendigkeit von sterilen Instrumenten und Medizinprodukten bei endodontologischen Behandlungen.
Sie haben natürlich Recht, dass endodontologische Instrumente nach der Empfehlung der KRINKO als „kritische Medizinprodukte“ einzustufen sind. Nach unserer Meinung ist in der Mundhöhle nicht nur der Kontakt zu Wunden (Geweben), sondern der zusätzliche speicheldichte Wundverschluss als Kriterium für die Notwendigkeit von sterilen Instrumenten gegeben. Das erscheint bei Wurzelkanalbehandlungen gegeben.
Der Rückschluss auf eine Sterilität von Präparaten zur Wundspülung besteht nach unserer Überzeugung aber nicht. Denn alle uns bekannten wissenschaftlichen Studien zur Erfolgsaussicht von Wurzelbehandlungen wurden nach unserer Kenntnis mit sterilen Wurzelkanalinstrumenten, aber ansonsten nicht sterilen Spüllösungen und Wurzelfüllmaterialien durchgeführt.
- Zur Wurzelkanalspülung werden unterschiedliche Materialien eingesetzt. Dies sind Lösungen zur Desinfektion (z.B. NaOCl oder CHX) und auch zur Entfernung der Schmierschicht (EDTA, Zitronensäure). In einer gemeinsamen Stellungnahme[1] der DGZMK und DGZ zur Wurzelkanalspülungen gibt es keine Aussagen zur mikrobiologischen Beschaffenheit der Spüllösungen.Bei EDTA, Chlorhexidin und Zitronensäure handelt es sich mit Sicherheit um nicht sterile Lösungen. In der Regel werden Fertigpräparate aus dem Dentalhandel verwendet, aber es sind auch Rezepturen aus der Apotheke im Einsatz. Weder bei den Fertigpräparaten (Beispiele als Anlage) noch bei den Rezepturen sind die Präparate als „Steril“ ausgelobt. Nachfragen bei Apotheken ergab, dass zur Verdünnung des Wirkstoffs in der Regel Wasser für Injektionszwecke benutzt wird, die Herstellung aber nicht im Reinraum erfolgt.
- Die Mehrzahl der zur medikamentösen Einlage verwendeten Präparate auf Calciumhydroxidbasis sowie die für die Wurzelkanalfüllung verwendeten Sealer und Guttaperchastifte werden als Handelspräparate nicht steril geliefert und können auch vom Zahnarzt nicht sterilisiert werden können.Nach Auffassung des DAHZ gibt es daher keine Hinweise auf eine Notwendigkeit für eine Sterilität der Wurzelkanalspülungen. Das wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass bisher keinerlei Infektionen durch sporenbildende Bakterien (z.B. Clostridium perfingens) nach endodontologischen Behandlungen publiziert wurden.
Die mikrobiologische Beschaffenheit der Spüllösungen ist daher nach unserer Auffassung als gegenwärtig wissenschaftlich ungelöste Frage zu betrachten (RKI-Kategorie III) und die Entscheidung dem behandelnden Zahnarzt zu überlassen.
Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ)
Dr. Prof. Dr. rer. nat. et rer. medic. habil Lutz Jatzwauk
Dr. med. dent. Frank Müller
Dr. med. dent. Kai Voss
25.01.2016
[1] „Die Wurzelkanalspülung“ – Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) 2006
Frage:
Patienten mit einer SARS-CoV-2-Erkrankung sind offenbar bereits vor dem Auftreten von Symptomen infektiös. Müssten bei diesen Patienten in der Zahnarztpraxis nicht die gleichen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wie bei nachweislich an COVID-19 erkrankten Personen, also z. B. FFP2/3-Maske?
Antwort:
Nach den vorliegenden epidemiologischen Daten genügt ein chirurgischer Mund- Nasen- Schutz mit Schutzbrille oder Visier zur Prävention von allen SARS-CoV-2 – Infizierten. Damit könnten diese in der routinemäßig betriebenen Zahnarztpraxis behandelt werden, ohne dass Personal in besonderem Maße zu gefährden.
Nach den in Deutschland geltenden Vorschriften der Berufsgenossenschaften muss bei bekannten SARS-CoV-2 – Infizierten aber eine FFP 2/3- Maske getragen werden. Diese ist in den Schwerpunktpraxen Routineausstattung. Daher gibt es die Empfehlung zur bevorzugten Behandlung in Schwerpunktpraxen.
Diese Empfehlung ist nicht mit der formalen Logik zu begründen, sondern mit deutschen Vorschriften und der begrenzten Verfügbarkeit von Schutzausrüstung.
Grundsätzlich ist es aber notwendig, auf Restrisiken hinzuweisen. Der Umgang mit Risiken (Rauchen, Motorradfahren, Skiabfahrt, Infektionsrisiko etc.) ist immer eine individuelle Entscheidung des Zahnarztes, die er (sie) für sich und die Mitarbeiter der Praxis leisten muss. Diese Entscheidung kann weder von irgendeiner Zahnärztekammer noch vom DAHZ vorgenommen werden. Wir können nur helfen, die Risiken besser einzuschätzen.
Ein solches Restrisiko einer Infektion besteht immer bei Einsatz von Verfahren, die Aerosole bilden, z.B. wassergekühlten Übertragungsinstrumenten. Auch die besten Gesichtsmasken schaffen hierbei nie einen 100%igen Schutz. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um mehrlagige chirurgische Masken (MNS nach DIN 14683 Typ 2) oder um FFP-Masken handelt. Es kommt vor allem auf das korrekte Anlegen, den dichten Sitz und das korrekte Ablegen an. Fehler, die hierbei gemacht werden, haben einen erheblichen Einfluss auf die Schutzwirkung.
Das Restrisiko ist durch eine trainierte Absaugtechnik, Schutzbrille bzw. Visier weiter zu minimieren. Letztlich kann und muss jeder selbst entscheiden, welches Restrisiko bei aerosolbildenden Behandlungen eingegangen werden kann, oder ob die Patienten doch lieber eine Schwerpunktpraxis überwiesen werden sollen.
DAHZ / Prof. Dr. Jatzwauk
28.04.2020
Bereits seit Beginn der COVID 19 -Pandemie wird eine Übertragung der Infektion durch Aerosole diskutiert (1). Sowohl bei asymptomatisch infizierten wie auch bei an COViD 19 erkrankten Personen konnte im Speichel SARS-CoV 2 nachgewiesen werden (2).
Während zahnärztlicher Behandlungen tragen vor allem mit Kühlwasser betriebene, maschinelle Instrumente zur Aerosolentwicklung bei (3,4,5). Auch in einem Abstand von 1,80 m fanden die Autoren Tröpfchen nach der Behandlung mit der zahnärztlichen Turbine (6). Vor allem kleinere Partikel unter 10 µm verweilen durch eine geringere Sedimentationsgeschwindigkeit länger in der Luft (7) und können auch in Distanzen von über 2 Meter von der Emissionsquelle nachgewiesen werden (8).
Der Nachweis von Erbsubstanz des SARS-CoV 2 in Luftproben mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion spiegelt jedoch nicht automatisch das Vorhandensein eines infektiösen Virus in ausreichender Konzentration und damit eine Infektionsgefahr wider. Trotzdem stellen nicht nur in Zeiten von COViD 19 neben der persönlichen Schutzausrüstung (Mund-Nasen- Schutz/ Atemschutz, Schutzbrille /Visier) technische Verfahren zur Reduktion des sogenannten „Spraynebels“ grundlegende Arbeitsschutzmaßnahmen für das Behandlungsteam dar.
Die wirksamste Maßnahme bildet die an der Behandlungseinheit vorhandene Spraynebelabsaugung, die in Verbindung mit gut trainierter Absaugtechnik über 2/3 des „Spraynebelrückpralls“ reduziert (9).
Ob durch spezielle Biozide, die dem Betriebswasser der Dentaleinheit zugesetzt werden (10), eine Inaktivierung von im Spaynebel potentiell vorhandenem Virus erreicht werden kann, ist bisher nicht geklärt, da die Einwirkzeiten zwischen Entstehung des Tröpfchens und Erreichen der Schleimhaut des Behandlungsteams sehr kurz sind.
Ebenso gibt es bisher keine ausreichenden wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirksamkeit von diversen zusätzlichen Absauggeräten in Kombination mit HEPA- Filtern oder Desinfektionssystemen zur Reduktion der Viruslast in der Luft von zahnärztlichen Untersuchungsräumen.
DAHZ / Prof. Dr. Jatzwauk
2020-05-23
Literatur:
- Wyllie AL et al. medRxiv 04.16.20067835; doi:
- Wang XF, Yuan J, Zheng YJ, et al. Zhonghua Er Ke Za Zhi. 2020;58.
- Jacks ME: A laboratory comparison of evacuation devices on aerosol reduction. J Dent Hyg. 2002 Summer;76(3):202-6.
- Leggat PA, Kedjarune U: Bacterial aerosols in the dental clinic: a review. Int Dent J. 2001 Feb;51(1):39-44.
- Rautemaa R et al.Bacterial aerosols in dental practice – a potential hospital infection problem? J Hosp Infect. 2006 Sep;64(1).
- Discacciati JA et al.Determination of the dispersion of microorganisms in the course of dental surgical activity. Rev Panam Salud Publica. 1998 Feb;3(2): 84-7
- Dreller S et al. Zur Frage des geeigneten Atemschutzes vor luftübertragenen Infektionserregern. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft. 2006 Jan/Feb, 66: 14-24.
- Chen SK et al. Evaluation of single-use masks and respirators for protection of health care workers against mycobacterial aerosols. Am J Infect Control. 1994 Apr;22(2):65-74.
- Reitemeier B et al. Effektive Reduktion des SpraynebelRückpralls – Möglichkeiten und Grenzen ZMK .2010. 662-673.
- Papenbrock J. Wasserhygiene: So schützen Sie Patienten in Corona-Zeiten. Dentalmagazin. 2020. 38. 4;27.
Die SARS-CoV-2 Pandemie hat die zahnärztlichen Praxen und Kliniken vor große Herausforderungen gestellt. Durch die WHO und das RKI werden Aerosol generierende medizinische Prozeduren mit einem stark erhöhten Infektionsrisiko für die medizinischen Mitarbeiter durch SARS- CoV-2 assoziiert. Daher wird diese Thematik in der AWMF-Leitlinie „Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern“ (AWMF-Registernummer: 083-046)[1] behandelt. Diese Leitlinie wird als sog. „Living guideline“ laufend an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst und ergänzt die jeweiligen Kapitel des DAHZ-Hygieneleitfadens.
Der Schutz des Behandlungsteams und des Patienten vor Tröpfchen und Aerosolen wird durch eine Kombination von spezifischen Präventionsmaßnahmen gewährleistet (Bündelstrategie).
Diese Maßnahmen sind:
- Identifikation von Verdachtsfällen und Erkrankten (z. B. Abfrage von COVID-typischen Symptomen)
- Distanzierung vom Patienten und Personal (Abstandsgebot)
- Tragen von Mund-Nasen-Schutz durch den Patienten in der Praxis, sowohl vor als auch nach der Behandlung.
- Tragen von Mund-Nasen-Schutz durch das Behandlungsteam auch außerhalb des Behandlungsraums (z. B. Pausen-, Umkleide- und Sozialraum) wenn das Abstandsgebot nicht eingehalten werden kann.
- Isolierung und Testung (PCR-Test) von Personal, das Symptome einer COVID-19 Infektion aufweist.
- Antiseptische Mundspülung vor Beginn der Behandlung mit einem Präparat mit nachgewiesener Wirkung gegen SARS-CoV-2.
- Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Verbindung mit einer Schutzbrille oder einem Gesichtsschutzvisier bei Patienten, bei denen kein Verdacht besteht, mit SARS-CoV-2 infiziert zu sein.
- Die Behandlung eines Verdachtsfalles oder eines COVID-Erkrankten im Rahmen einer Notfallbehandlung ist aufgrund der Arbeitsschutzvorschriften mit einer Schutzausrüstung (Atemschutzmaske FFP2/3 oder (K)N95, Gesichtsschutzvisier, Schutzhandschuhen und Einmal-Schutzkittel) durchzuführen.
- Nutzung eines Kofferdams, falls möglich.
- Konsequente, hochvolumige Absaugung (ca. 300 l /Minute) mit einer durchmesseroptimierten Saugkanüle (mindestens 10 mm). Zusätzliche Geräte zur Absaugung sind nicht erforderlich.
- Gewährleistung eines ausreichenden Luftwechsels durch Fensterlüftung oder Raumlufttechnische Anlagen. Für den Einsatz von zusätzlichen Luftreinigungsgeräten gibt es hinsichtlich der Eignung in der Zahnarztpraxis keine klinische Evidenz.
Die COVID-19-Pandemie erfordert keine Veränderung der bewährten Verfahren der Basishygiene wie beispielsweise der Händehygiene, der Instrumentenaufbereitung oder der Flächenhygiene.
[1]083-046l_S1_zahnmedizinische-Patienten-Belastung-Aerosol-uebertragbare-Erreger_2020-09.pdf (awmf.org)
Bei zahnärztlichen Behandlungen unter Nutzung wassergekühlter Übertragungsinstrumente sowie der PZR und ZEG werden erhebliche Mengen von Tröpfchen unterschiedlicher Größe freigesetzt. Da im Speichel von mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten bis zu 109 RNA- Kopien pro ml enthalten sein können (1,2), ist auch das bei der Behandlung aus der Mundhöhle austretende Luft- Wasser- Gemisch als infektiös zu betrachten. Zur Minimierung von nosokomialen Infektionsrisiken hat sich bewährt, nicht nur eine einzige Präventionsmaßnahme, sondern gleichzeitig mehrere Hygienemaßnahmen einzusetzen (3). Die so genannte „Bundle Strategy“ / Bündel-Strategie vermittelt für einzelne hygienerelevante Prozesse die Integration von mehreren synergistischen, evidenzbasierten Prozeduren.
Im Rahmen der CoViD-19 Prävention bei zahnärztlichen Behandlungen besteht ein solches Maßnahmenbündel mindestens aus:
Präventionsmaßnahme | Viruslast im Speichel / Spraynebel
(RNA-Kopien/ml) |
|
ohne | 109 | |
1 | Antiseptischer Mundspülung vor der Behandlung (4,5) | 107 |
2 | Kofferdam (wo möglich) und Verdünnung durch das Prozesswasser der Dentaleinheit (6) | 105 |
3 | Konsequente, hochvolumige Absaugung (ca. 300 l /Minute) mit einer Saugkanüle von mindestens 10 mm Durchmesser (7) | 103 |
4 | Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Verbindung mit einer Schutzbrille oder einem Gesichtsschutzvisier bei Patienten (8) | 100 |
5 | Alternativ zu 4: Tragen einer FFP2- Maske in Verbindung mit einer Schutzbrille (8) | 40 |
Die minimale Infektionsdosis von SARS-CoV-2 ist auch 12 Monate nach Beginn der Pandemie wissenschaftlich noch nicht exakt definiert. Es wird aber eine Anzahl von „mehreren Hundert“ infektiöser Viruspartikel diskutiert (9). Diese kann bereits durch die unter 1-4 aufgeführten Hygienemaßnahmen deutlich unterschritten werden, zumal nicht alle im Sprühnebel vorhanden RNA-Kopien infektiöse Viruspartikel darstellen und noch viel weniger tatsächlich auch eingeatmet werden. Das Tragen von Gesichts-oder Atemschutzmasken ist dabei nur als ein Baustein des Maßnahmenbündels zum Schutz vor CoViD-19 bei zahnärztlichen Behandlungen zu betrachten. Da die genannten Hygienemaßnahmen seit Jahren routinemäßig in der Zahnmedizin als Bestandteil der Basishygiene praktiziert werden, ist nicht verwunderlich, dass zahnärztliche Behandlungen seit Jahren nicht mit einem erhöhten Risiko respiratorischer Infektionen für die exponierten Mitarbeiter assoziiert waren (10). Ausführliche Informationen zum Thema werden in der aktuellen AWMF-Leitlinie„Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern“ (AWMF-Registernummer: 083-046) gegeben (11).
Prof. Dr. Jatzwauk 10.12.2020
Literatur:
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- To KK, Tsang OT, Leung WS, Tam AR, Wu TC, Lung DC, Yip CC, Cai JP, Chan JM, Chik TS, Lau DP, Choi CY, Chen LL, Chan WM, Chan KH, Ip JD, Ng AC, Poon RW, Luo CT, Cheng VC, Chan JF, Hung IF, Chen Z, Chen H, Yuen KY. Temporal profiles of viral load in posterior oropharyngeal saliva samples and serum antibody responses during infection by SARS-CoV-2: an observational cohort study. Lancet Infect Dis. 2020 May;20(5):565-574.
- Gebhardt FE, Wantia N. Prävention nosokomialer Infektionen durch Bündel. Evidenz und praktische Umsetzung. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2013 März;108(2):119-24.
- Reis INR, do Amaral GCLS, Mendoza AAH, et al. Can preprocedural mouthrinses reduce SARS-CoV-2 load in dental aerosols? [published online ahead of print, 2020 Nov 27]. Med Hypotheses. 2020;110436.
- Meister TL, Brüggemann Y, Todt D, et al. Virucidal Efficacy of Different Oral Rinses Against Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2. J Infect Dis. 2020;222(8):1289-1292.
- DIN EN ISO 7494-2:2015-08. Zahnheilkunde – Zahnärztliche Behandlungseinheiten – Teil 2: Luft-, Wasser-, Absaugungs- und Abwassersysteme (ISO 7494-2:2015); Deutsche Fassung EN ISO 7494-2:2015
- Graetz C. (Studie noch nicht publiziert, wird nachgeliefert)
- Dreller S, Jatzwauk L, Nassauer A., Paszkiewicz, P, Tobys H-U, Rüden H. Zur Frage des geeigneten Atemschutzes vor luftübertragenen Infektionserregern. Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 66 (2006) Nr. 1/2, S. 14-24.
- van Schaik W in „Expert reaction to questions about covid-19 and viral load; Science Media Centre, 24.3.2020.
- Tran K, Cimon K, Severn M, Pessoa-Silva CL, Conly J. Aerosol generating procedures and risk of transmission of acute respiratory infections to healthcare workers: a systematic review. PLoS One. 2012;7(4):e35797.
- S1 Leitlinie „Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosol-übertragbaren Erregern“ (AWMF-Registernummer: 083-046,2020)
Flächendesinfektion in der Zahnarztpraxis / Stellungnahme DAHZ
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Prof. Jatzwauk / Mai 2021
- Rechtslage beim Inverkehrbringen und Aufbereiten von Medizinprodukten
Die DIN EN ISO 17664 (2017) ist eine weltweit geltende Norm, die die vom Medizinprodukt- Hersteller bereitzustellenden Informationen für die Aufbereitung von Medizinprodukten regelt. Das Dokument legt Anforderungen an die Informationen fest, welche bezüglich der Reinigung, Desinfektion und ggf. Sterilisation bereitzustellen sind. Diese Informationen sollen sicherstellen, dass das aufbereitete Medizinprodukt für seine Zweckbestimmung sicher und wirksam ist. Es gilt für alle Medizinprodukte, die für einen invasiven oder anderen direkten oder indirekten Kontakt mit dem Patienten vorgesehen sind. Der Hersteller eines Medizinprodukts muss jedes Aufbereitungsverfahren validieren, welches in den Informationen, die mit dem Medizinprodukt bereitgestellt werden, festgelegt ist. Die Validierung muss den Nachweis erbringen, dass das Aufbereitungsverfahren wirksam ist. Er bedient sich dazu gemäß DIN EN ISO 17025 akkreditierter Prüflabore, die staatlich anerkannt und überwacht werden. Die vom Hersteller durchzuführende Konformitätsbewertung des Medizinprodukts (inklusive der Aufbereitungsempfehlung) wird danach von einer so genannten „benannten Stelle“ („notified body“) geprüft und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bescheinigt. Damit erwirbt der Hersteller für sein Medizinprodukt das Recht, es mit CE- Zeichen in der EU in Verkehr zu bringen.
Der Betreiber von Medizinprodukten (z.B. der Zahnarzt) ist gemäß § 8(1) der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung – MPBetreibV) verpflichtet, die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren durchzuführen.
- Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte in der Zahnmedizin mittels Wischdesinfektion
Die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ kategorisiert Medizinprodukte mit (bestimmungsgemäßem) Kontakt zur Schleimhaut als so genannte „semikritische“ Medizinprodukte. Intraorale Lichtsonden, intraorale Kameras sowie Röntgensensoren kommen zwar nicht bestimmungsgemäß, aber regelmäßig in Kontakt mit der Mundschleimhaut. Entsprechend den Aufbereitungsempfehlungen definierter Hersteller erfolgt die Aufbereitung in der Praxis seit Jahren durch manuelles Abwischen mit viruziden Desinfektionslösungen. Bei einem großen Teil der genannten Instrumente ist die Wischdesinfektion das einzige von den Herstellern angegebene Verfahren der Reinigung und Desinfektion.
- Stellungnahme des Robert- Koch- Instituts, des BfArM sowie der Landesbehörden zur abschließenden Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte
Am 26.10.2021 wurde ein Schreiben der für Medizinprodukte zuständigen Obersten Landesbehörden, des Bundesinstituts für Arzneimittel und des Robert Koch- Instituts zum Thema „Validierung der abschließenden Desinfektion von semikritischen Medizinprodukten“ an die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern, den Bund der Heilpraktiker, den GKV- Spitzenverband und weitere versandt. Darin wird die abschließende Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte aufgrund einer „nicht reproduzierbaren manuellen mechanischen Krafteinwirkung“ sowie fehlender Leitlinien zur Validierung der manuellen Wischdesinfektion von Medizinprodukten verboten. Wissenschaftliche Beweise für eine ungenügende Wirksamkeit der Wischdesinfektion wurden jedoch nicht erbracht. Das Fehlen von Leitlinien verwundert nicht, da bisher keine Forderungen nach Validierung der Wischdesinfektion geltend gemacht wurden. Verschärft wurde das ausgesprochene Verbot der abschließenden Wischdesinfektion durch das Postulat, dass im Rahmen der Untersuchungen eingesetzte Überzüge unsicher und damit ohne Einfluss auf die notwendige Reinigung und Desinfektion wären.
Der Zeitpunkt des Verbots überrascht, da Infektionen von Patienten in Folge des Einsatzes intraoraler Lichtsonden, intraoraler Kameras sowie Röntgensensoren (mit oder ohne Überzug) bisher nicht bekannt sind.
Inzwischen mehren sich Zweifel, ob die betreffenden Bundes- oder Landesbehörden in Deutschland überhaupt berechtigt waren, den durch eine in Europa gültige, harmonisierte Norm geregelten Ablauf des Verkehrs von Medizinprodukten einzuschränken. Der DAHZ kann dazu aufgrund fehlender juristischer Kompetenz nicht Stellung nehmen.
- Empfehlungen des DAHZ zur abschließenden Wischdesinfektion definierter zahnärztlicher Medizinprodukte
- Röntgensensoren, intraorale Lichtsonden und intraorale Kameras sollen während der Untersuchung mit einem Überzug (Einwegprodukt) geschützt werden, sofern das möglich ist und vom Hersteller empfohlen wird. In diesem Fall kommen die Medizinprodukte weder bestimmungsgemäß noch gelegentlich in Kontakt mit der Mundschleimhaut. Röntgensensoren, intraorale Lichtsonden und intraorale Kameras mit Überzug werden daher als unkritische Medizinprodukte klassifiziert. Eine Wischdesinfektion ist weiterhin möglich. Die Forderung nach Validierung des Verfahrens beim Zahnarzt besteht bei unkritischen Medizinprodukten bisher nicht.
- Röntgensensoren, intraorale Lichtsonden sowie intraorale Kameras, die nur ohne Überzug in der Mundhöhle zum Einsatz kommen, werden als semikritische Medizinprodukte klassifiziert. Sie können nur in den Fällen einer abschließenden Wischdesinfektion unterzogen werden, wenn der Hersteller in seinen Aufbereitungsempfehlungen nur dieses eine Aufbereitungsverfahren aufführt. Ansonsten ist ein alternativ vom Hersteller angegebenes Verfahren zu bevorzugen (z.B. Tauchbad, Thermodesinfektor). Da bisher weder Verfahren noch Prüflabore für eine Validierung der abschließenden Wischdesinfektion bekannt sind, ist diese (noch) nicht möglich.
- Zukünftig zu etablierende Leitlinien zur Validierung der abschließenden Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte werden eine reproduzierbare Wirksamkeit des Verfahrens für jeden die Aufbereitung ausführenden Mitarbeiter erforderlich machen. Sie werden also voraussichtlich zeit- und kostenintensiv sein. Bei Neukauf von semikritischen Medizinprodukten sollten daher solche bevorzugt werden, die maschinell oder durch Tauchdesinfektion aufzubereiten sind oder mit Überzug zum Einsatz kommen.
Für den DAHZ (Redaktionsausschuss)
Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas
Dr. Frank Müller
Dr. Kai Voss
Prof. Dr. Lutz Jatzwauk
Antwort:
Die von einigen Dentaldepots beworbene Validierung der Software zur Überwachung der Aufbereitungsprozesse ist rechtlich nicht gefordert.
Erläuterung:
Gemäß der Betreiberverordnung für Medizinprodukte § 8 Pkt.1 „ist die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten … so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist…“.
Moderne Reinigungs- und Desinfektionsgeräte (RDG= „Thermodesinfektoren“) verfügen daher über eine spezielle Software zur elektronischen Dokumentation der Verfahrensparameter sowie der aufbereiteten Chargen von Medizinprodukten. Im Rahmen der Validierung der Aufbereitungsverfahren beim Anwender (in der jeweiligen Zahnarztpraxis) werden die mittels der Gerätesoftware dokumentierten Verfahrensparameter mit denen kalibrierter Temperatursensoren verglichen. Wenn die Messwerte der externen Temperaturfühler nicht mit den Werten der geräteeigenen Anzeige der IST-Werte des RDG übereinstimmen, muss die Ursache für die Differenzen gesucht, beseitigt und dokumentiert werden (Pkt. 5.2.3.3. der Leitlinie von DGKH, DGSV und AKI für die Validierung und Routineüberwachung maschineller Reinigungs- und thermischer Desinfektionsprozesse für Medizinprodukte). Eine zusätzliche Validierung der Gerätesoftware von RDG ist somit nicht erforderlich.
Wird dagegen in der Zahnarztpraxis eine Dokumentationssoftware verwendet, die unabhängig von einzelnen Geräten installiert wurde und über Schnittstellen beispielsweise alle RDG und Sterilisatoren der Praxis einschließt, erfolgt in der Regel keine Validierung der Verfahrensparameter beim Anwender und deren Vollständigkeit und Präzision ist möglicherweise nicht gesichert. Daher ist dringend zu empfehlen, dass vor dem Kauf einer solchen Dokumentations-Software beim Hersteller bzw. Inverkehrbringer zu erfragen ist, ob bzw. welche Prüfungen auf Funktionalität der Software erforderlich und welche Kosten damit verbunden sind.
Definition und rechtliche Verbindlichkeit einer so genannten Software-Validierung werden in der DIN EN ISO 13485 (Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsysteme –Anforderungen für regulatorische Zwecke) geregelt. Entsprechend Pkt.4.1.6. dieser Norm „müssen Verfahren für die Validierung der Anwendung der Computersoftware im Qualitätsmanagementsystem dokumentiert werden. Derartige Softwareanwendungen müssen vor ihrem ersten Einsatz validiert werden sowie, soweit angemessen, nach Änderungen an dieser Software oder ihrer Anwendung.“
Allerdings besteht die Forderung nach Zertifizierung des QM- Systems gemäß DIN EN ISO 13485 in Zahnarztpraxen, die Medizinprodukte im eigenen Verantwortungsbereich einsetzen und aufbereiten, bisher nicht. Daher ist auch eine Software- (Schnittstellen)- Validierung der Chargendokumentation in der Zahnarztpraxis rechtlich bisher nicht gefordert.