Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte – Stellungnahme des DAHZ

  1. Rechtslage beim Inverkehrbringen und Aufbereiten von Medizinprodukten

Die DIN EN ISO 17664 (2017) ist eine weltweit geltende Norm, die die vom Medizinprodukt- Hersteller bereitzustellenden Informationen für die Aufbereitung von Medizinprodukten regelt. Das Dokument legt Anforderungen an die Informationen fest, welche bezüglich der Reinigung, Desinfektion und ggf. Sterilisation bereitzustellen sind. Diese Informationen sollen sicherstellen, dass das aufbereitete Medizinprodukt für seine Zweckbestimmung sicher und wirksam ist. Es gilt für alle Medizinprodukte, die für einen invasiven oder anderen direkten oder indirekten Kontakt mit dem Patienten vorgesehen sind. Der Hersteller eines Medizinprodukts muss jedes Aufbereitungsverfahren validieren, welches in den Informationen, die mit dem Medizinprodukt bereitgestellt werden, festgelegt ist. Die Validierung muss den Nachweis erbringen, dass das Aufbereitungsverfahren wirksam ist. Er bedient sich dazu gemäß DIN EN ISO 17025 akkreditierter Prüflabore, die staatlich anerkannt und überwacht werden. Die vom Hersteller durchzuführende Konformitätsbewertung des Medizinprodukts (inklusive der Aufbereitungsempfehlung) wird danach von einer so genannten „benannten Stelle“ („notified body“) geprüft und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bescheinigt. Damit erwirbt der Hersteller für sein Medizinprodukt das Recht, es mit CE- Zeichen in der EU in Verkehr zu bringen.

Der Betreiber von Medizinprodukten (z.B. der Zahnarzt) ist gemäß § 8(1) der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung – MPBetreibV) verpflichtet, die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren durchzuführen.

  1. Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte in der Zahnmedizin mittels Wischdesinfektion

Die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ kategorisiert Medizinprodukte mit (bestimmungsgemäßem) Kontakt zur Schleimhaut als so genannte „semikritische“ Medizinprodukte. Intraorale Lichtsonden, intraorale Kameras sowie Röntgensensoren kommen zwar nicht bestimmungsgemäß, aber regelmäßig in Kontakt mit der Mundschleimhaut. Entsprechend den Aufbereitungsempfehlungen definierter Hersteller erfolgt die Aufbereitung in der Praxis seit Jahren durch manuelles Abwischen mit viruziden Desinfektionslösungen. Bei einem großen Teil der genannten Instrumente ist die Wischdesinfektion das einzige von den Herstellern angegebene Verfahren der Reinigung und Desinfektion.

  1. Stellungnahme des Robert- Koch- Instituts, des BfArM sowie der Landesbehörden zur abschließenden Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte

Am 26.10.2021 wurde ein Schreiben der für Medizinprodukte zuständigen Obersten Landesbehörden, des Bundesinstituts für Arzneimittel und des Robert Koch- Instituts zum Thema „Validierung der abschließenden Desinfektion von semikritischen Medizinprodukten“ an die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern, den Bund der Heilpraktiker, den GKV- Spitzenverband und weitere versandt. Darin wird die abschließende Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte aufgrund einer „nicht reproduzierbaren manuellen mechanischen Krafteinwirkung“ sowie fehlender Leitlinien zur Validierung der manuellen Wischdesinfektion von Medizinprodukten verboten. Wissenschaftliche Beweise für eine ungenügende Wirksamkeit der Wischdesinfektion wurden jedoch nicht erbracht. Das Fehlen von Leitlinien verwundert nicht, da bisher keine Forderungen nach Validierung der Wischdesinfektion geltend gemacht wurden. Verschärft wurde das ausgesprochene Verbot der abschließenden Wischdesinfektion durch das Postulat, dass im Rahmen der Untersuchungen eingesetzte Überzüge unsicher und damit ohne Einfluss auf die notwendige Reinigung und Desinfektion wären.

Der Zeitpunkt des Verbots überrascht, da Infektionen von Patienten in Folge des Einsatzes intraoraler Lichtsonden, intraoraler Kameras sowie Röntgensensoren (mit oder ohne Überzug) bisher nicht bekannt sind.

Inzwischen mehren sich Zweifel, ob die betreffenden Bundes- oder Landesbehörden in Deutschland überhaupt berechtigt waren, den durch eine in Europa gültige, harmonisierte Norm geregelten Ablauf des Verkehrs von Medizinprodukten einzuschränken. Der DAHZ kann dazu aufgrund fehlender juristischer Kompetenz nicht Stellung nehmen.

  1. Empfehlungen des DAHZ zur abschließenden Wischdesinfektion definierter zahnärztlicher Medizinprodukte
  • Röntgensensoren, intraorale Lichtsonden und intraorale Kameras sollen während der Untersuchung mit einem Überzug (Einwegprodukt) geschützt werden, sofern das möglich ist und vom Hersteller empfohlen wird. In diesem Fall kommen die Medizinprodukte weder bestimmungsgemäß noch gelegentlich in Kontakt mit der Mundschleimhaut. Röntgensensoren, intraorale Lichtsonden und intraorale Kameras mit Überzug werden daher als unkritische Medizinprodukte klassifiziert. Eine Wischdesinfektion ist weiterhin möglich. Die Forderung nach Validierung des Verfahrens beim Zahnarzt besteht bei unkritischen Medizinprodukten bisher nicht.
  • Röntgensensoren, intraorale Lichtsonden sowie intraorale Kameras, die nur ohne Überzug in der Mundhöhle zum Einsatz kommen, werden als semikritische Medizinprodukte klassifiziert. Sie können nur in den Fällen einer abschließenden Wischdesinfektion unterzogen werden, wenn der Hersteller in seinen Aufbereitungsempfehlungen nur dieses eine Aufbereitungsverfahren aufführt. Ansonsten ist ein alternativ vom Hersteller angegebenes Verfahren zu bevorzugen (z.B. Tauchbad, Thermodesinfektor). Da bisher weder Verfahren noch Prüflabore für eine Validierung der abschließenden Wischdesinfektion bekannt sind, ist diese (noch) nicht möglich.
  • Zukünftig zu etablierende Leitlinien zur Validierung der abschließenden Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte werden eine reproduzierbare Wirksamkeit des Verfahrens für jeden die Aufbereitung ausführenden Mitarbeiter erforderlich machen. Sie werden also voraussichtlich zeit- und kostenintensiv sein. Bei Neukauf von semikritischen Medizinprodukten sollten daher solche bevorzugt werden, die maschinell oder durch Tauchdesinfektion aufzubereiten sind oder mit Überzug zum Einsatz kommen.

 

Für den DAHZ (Redaktionsausschuss)

Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas
Dr. Frank Müller
Dr. Kai Voss
Prof. Dr. Lutz Jatzwauk